Altersrückstellungen in der PKV: Funktion, Grenzen & Mythen 2025
Die Altersrückstellungen sind ein zentrales, aber oft missverstandenes Konzept der Privaten Krankenversicherung (PKV). Sie sollen die Beitragsentwicklung im Alter abfedern, doch wie funktioniert das genau? Sind sie eine Garantie für stabile Beiträge? Und was passiert bei einem Tarif- oder Anbieterwechsel? Dieser Ratgeber-Artikel erklärt die Funktion der Altersrückstellungen, beleuchtet ihre Grenzen und räumt mit gängigen Mythen auf.
Was sind Altersrückstellungen (AR) in der PKV?
Im Gegensatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die im Umlageverfahren arbeitet (die Beiträge der Jungen finanzieren die Ausgaben der Alten und Kranken), finanziert sich die PKV über das Kapitaldeckungsverfahren. Das bedeutet, jeder Versicherte spart für sein eigenes, mit dem Alter steigendes Krankheitskostenrisiko.
Die Altersrückstellungen (auch Alterungsrückstellungen genannt) sind der Sparanteil, der in jungen Jahren zusätzlich zum reinen Risikobeitrag gezahlt wird. Dieses Geld legt der Versicherer am Kapitalmarkt an, um später damit die höheren Gesundheitsausgaben im Alter teilweise auszugleichen. Vereinfacht gesagt:
- In jungen Jahren: Sie zahlen mehr Beitrag, als statistisch für Ihr aktuelles Risiko nötig wäre. Der Überschuss fließt in Ihre persönlichen Altersrückstellungen.
- Im Alter: Ihre Gesundheitskosten steigen statistisch an. Die angesparten Rückstellungen und deren Zinserträge werden nun verwendet, um diesen Anstieg abzufedern und den Beitrag niedriger zu halten, als er ohne Rückstellungen wäre.
Das Ziel ist eine Glättung der Beitragskurve über die gesamte Vertragslaufzeit. Die Grundlagen dazu finden Sie auch unter Prinzipien der PKV.
Wie funktionieren Altersrückstellungen genau?
Die Bildung von Altersrückstellungen ist gesetzlich geregelt:
Der gesetzliche Zuschlag von 10%
Seit dem Jahr 2000 sind private Krankenversicherer verpflichtet, für Neuverträge einen gesetzlichen Zuschlag von 10% auf den Beitrag (für die meisten Tarifbausteine) zu erheben. Dieser Zuschlag dient ausschließlich dem Aufbau zusätzlicher Altersrückstellungen und soll die Beitragsstabilität ab dem 65. Lebensjahr verbessern. Dieser Zuschlag wird von Versicherten zwischen dem 21. und 60. Lebensjahr gezahlt und entfällt ab dem 60. Lebensjahr, was oft zu einer leichten Beitragssenkung führt (sofern nicht andere Faktoren eine Erhöhung bewirken).
Verzinsung der Rückstellungen (Rechnungszins)
Die angesparten Rückstellungen werden vom Versicherer am Kapitalmarkt angelegt. Bei der Kalkulation der Tarife legt der Versicherer einen bestimmten garantierten Zinssatz zugrunde, den sogenannten Rechnungszins (Höchstrechnungszins wird vorgegeben). Erwirtschaftet der Versicherer höhere Zinsen, entstehen Überzinsen, die teilweise zur weiteren Beitragsdämpfung oder Leistungsverbesserung verwendet werden müssen.
Problem Niedrigzinsphase: In langanhaltenden Niedrigzinsphasen kann es für Versicherer schwierig sein, den kalkulierten Rechnungszins zu erwirtschaften. Dies kann dazu führen, dass weniger Mittel zur Beitragsstabilisierung zur Verfügung stehen und Anpassungen notwendig werden.
Verrechnung im Alter
Ab einem bestimmten Alter (oft ab 65, aber auch früher möglich) beginnt die Entnahme aus den angesparten Altersrückstellungen (inklusive Zinserträgen und dem Kapital aus dem gesetzlichen Zuschlag). Dieses Geld wird verwendet, um die altersbedingt steigenden Krankheitskosten auszugleichen und so den zu zahlenden Beitrag niedriger zu halten, als er rein risikobasiert wäre.
Grenzen der Altersrückstellungen & verbreitete Mythen
Altersrückstellungen sind ein wichtiges Instrument, aber kein Allheilmittel gegen Beitragssteigerungen. Einige Missverständnisse sollten ausgeräumt werden:
Mythos 1: "Die PKV wird im Alter garantiert unbezahlbar."
Falsch (in dieser Pauschalität). Zwar können Beiträge in der PKV im Alter steigen (siehe Beitragsentwicklung PKV), aber die Altersrückstellungen wirken diesem Effekt entgegen. Zudem gibt es Mechanismen zur Beitragssenkung (z.B. interner Tarifwechsel nach §204 VVG, Erhöhung der Selbstbeteiligung, Wechsel in Basis-/Standardtarif). Ob die PKV im Alter tragbar ist, hängt stark von der individuellen Vorsorge, dem gewählten Tarif und der Entwicklung des Gesundheitssystems ab. Eine gute Beratung und vorausschauende Planung sind entscheidend.
Mythos 2: "Altersrückstellungen verhindern jede Beitragserhöhung."
Falsch. Altersrückstellungen sind primär dafür gedacht, die altersbedingten Mehrkosten auszugleichen. Sie können jedoch nicht die Kostensteigerungen abdecken, die durch den medizinischen Fortschritt (neue, teurere Therapien) oder eine allgemein höhere Lebenserwartung entstehen. Diese Faktoren führen zu notwendigen Beitragsanpassungen (BAP) in der gesamten Tarifgemeinschaft, die auch durch Altersrückstellungen nicht vollständig verhindert werden können.
Mythos 3: "Altersrückstellungen sind beim Anbieterwechsel komplett verloren."
Teilweise Falsch (für Verträge ab 2009). Für Verträge, die vor 2009 abgeschlossen wurden, war dies tatsächlich der Fall – die Rückstellungen verblieben beim alten Versicherer. Für Verträge, die ab dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurden, gilt jedoch eine eingeschränkte Portabilität: Bei einem Wechsel zu einem anderen PKV-Anbieter kann ein Teil der Rückstellungen – der sogenannte Übertragungswert – mitgenommen werden. Dieser entspricht der Höhe der Rückstellungen, die im Basistarif für die gleiche Person gebildet worden wären. Da der Basistarif aber nur GKV-Niveau bietet, ist dieser Übertragungswert oft deutlich geringer als die tatsächlich im (besseren) Alttarif angesparten Rückstellungen. Der Rest verbleibt beim alten Versicherer. Deshalb ist ein interner Tarifwechsel fast immer vorteilhafter als ein Anbieterwechsel. Mehr dazu unter Wechsel innerhalb der PKV.
Altersrückstellungen & Interner Tarifwechsel (§ 204 VVG)
Das wichtigste Instrument zur Nutzung der vollen Altersrückstellungen bei Beitragssteigerungen ist der interne Tarifwechsel nach § 204 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).
- Rechtsanspruch: Jeder PKV-Versicherte hat das Recht, bei seinem aktuellen Versicherer in einen anderen Tarif mit gleichartigem Versicherungsschutz zu wechseln.
- Voller Erhalt der Rückstellungen: Bei diesem internen Wechsel werden die vollständig angesparten Altersrückstellungen auf den neuen Tarif angerechnet.
- Keine neue Gesundheitsprüfung (meistens): Solange der neue Tarif keine Mehrleistungen gegenüber dem alten Tarif bietet, darf der Versicherer keine neue Gesundheitsprüfung verlangen oder Risikozuschläge erheben. Nur für eventuelle Mehrleistungen ist eine Prüfung zulässig.
- Potenzial zur Beitragssenkung: Durch den Wechsel in einen Tarif mit z.B. höherer Selbstbeteiligung oder leicht reduziertem Leistungsumfang (aber immer noch gleichartig!) können oft erhebliche Beitragssenkungen erzielt werden, ohne den Anbieter verlassen zu müssen.
Dieses Recht ist ein zentraler Baustein, um die PKV auch im Alter bezahlbar zu halten. Informieren Sie sich aktiv bei Ihrem Versicherer über Wechseloptionen, wenn Ihnen die Beiträge zu hoch werden!
Sonderfall: Beitragsentlastungstarife (BEA)
Neben den automatisch gebildeten Altersrückstellungen bieten einige Versicherer zusätzliche, optionale Beitragsentlastungstarife an. Hier zahlen Sie während der Ansparphase (z.B. bis zum 65. Lebensjahr) einen zusätzlichen Beitrag. Dieses Kapital wird ebenfalls angelegt und garantiert Ihnen dann im Rentenalter eine feste Reduzierung Ihres regulären PKV-Beitrags.
- Vorteil: Geplante, garantierte Beitragssenkung im Alter.
- Nachteil: Zusätzliche Kosten während des Berufslebens. Die Rendite ist oft nicht sehr hoch.
- Alternative: Das Geld könnte ggf. auch anderweitig (z.B. ETF-Sparplan) angelegt werden, um im Alter flexibler auf Beitragssteigerungen reagieren zu können (allerdings ohne Garantie).
Die Wahl eines BEA-Tarifs sollte gut überlegt und mit alternativen Vorsorgestrategien verglichen werden.
Fazit: Altersrückstellungen – Wichtiger Baustein mit Grenzen
Altersrückstellungen sind ein wesentlicher Bestandteil des PKV-Systems und tragen maßgeblich dazu bei, die Beitragsentwicklung im Alter zu glätten. Sie werden durch laufende Beiträge und den gesetzlichen Zuschlag aufgebaut und verzinst.
Sie sind jedoch keine Garantie gegen jegliche Beitragsanpassungen, da sie primär altersbedingte Kostensteigerungen abfedern, nicht aber den medizinischen Fortschritt oder andere externe Faktoren. Für Verträge ab 2009 ist ein Teil der Rückstellungen bei Anbieterwechsel übertragbar, der volle Wert bleibt jedoch nur beim internen Tarifwechsel nach § 204 VVG erhalten – dies ist das wichtigste Instrument zur Kostenkontrolle im Alter.
Verstehen Sie die Funktion und die Grenzen der Altersrückstellungen, um realistische Erwartungen an die Kosten Ihrer PKV zu haben. Nutzen Sie den PKV Vergleichsrechner, um Tarife zu finden, und informieren Sie sich über die Tarifwechseloptionen des jeweiligen Anbieters.